Die Deutschen trinken immer weniger Alkohol. Nur der Gin hat es geschafft, sich gegen den Trend als Lifestyle-Spirituose zu etablieren – jedenfalls solange es nicht die Massenabfüllung aus dem Supermarkt ist. Besonders in den deutschen Metropolen haben Klein-Destillerien Konjunktur. Sie liefern Gin mit Lokal-Aroma. Gin ist angesagt im urbanen Bar-Leben. Dabei war Gin lange Jahre eher was, was Oma bei ihrer (Gin)-Rummy-Runde im Flachmann hatte. Ausgerechnet dieses tantige Image verhalf dem Gin zu neuer Blüte. Denn mit Beginn der 2000er-Jahre wurde retro plötzlich cool – selbst beim Schnaps. Hippe Gin-Freunde wissen viel über die Trendsorten. Doch die historischen Geheimnisse des Gin sind den meisten unbekannt.

Ginheimnis 1: Wer hat ihn erfunden? Die Holländer!

Ja! Der Gin ist im Ursprung gar kein Brite, sondern ein Kontinental-Europäer. Die Holländer brannten schon im 16. Jahrhundert einen Wacholderschnaps und nannten ihn „Jenever“ – das ist Flämisch und heißt einfach „Wacholder“. In feinen Kreisen parlierte man freilich schon damals Französisch und griff zum „Genever“. Damit hatten die Niederländer zwar schon einen National-Schnaps – aber noch keine Nation. Jenever gibt’s natürlich heute noch. Und er ist die Mutter aller Gins.

Ginheimnis 2: Als Export-Produkt eines Glaubenskrieges über den Kanal

80 Jahre lang kämpften die frühen Niederlande zwischen 1568 und 1648 gegen Spanien um ihre Unabhängigkeit. Im Zuge der Reformation waren die Niederländer protestantisch geworden. Damit drohten sie ihrem Herrscher, dem erzkatholischen spanischen Habsburger-König, von der Fahne zu gehen. Die Heilige Katholische Kirche verurteilte mal kurzerhand alle protestantischen Niederländer wegen Glaubensabfall zum Tode und der spanische König kündigte Vollzug an. Also kam’s zum Streit. Die bereits rombefreiten Briten eilten den niederländischen Glaubensbrüdern zu Hilfe. Zahlreiche Siege begoss man mit dem Wacholderschnaps. So kam mit den Schlachtschiffen Ihrer Majestät auch der Jenever heim auf die Insel. Die Niederländer waren am ende übrigens unabhängig, aber den Nordteil ihres Landes los. Daraus wurde Belgien. Der Jenever ist bist heute in beiden Ländern Kulturgut.

Ginheimnis 3: Der König als oberster Marketing-Beauftragter für Gin

Im 17. Jahrhundert fügte es sich glücklich, dass der Statthalter der Niederlande in Personal-Union auch König von England war: Wilhelm von Oranien (Oranje)-Nassau – ja genau, deshalb tragen die Holländer bis heute orangene Fußball-Trikots. Wilhelm verstand sich bestens darauf, den Schnaps-Export seiner Heimat anzukurbeln. Er belegte französische Konkurrenz-Destillate mit hohen Zöllen und machte so den Jenever zum günstigen Rausch-Mittel der Wahl. Nur gescheit aussprechen konnten die Briten das Getränk nicht – also nannte man es kurzerhand Gin. Später destillierten besonders die Londoner eigenen Gin. Die Beliebtheit des Gins – besonders bei der einfachen Bevölkerung – führte allerdings alsbald zu russischen Verhältnissen. Die Regierung verteuerte den Schnaps. Quasi von einem auf den anderen Tag galt das Zeug wegen seines Preises als exklusiv und in höheren Schichten salonfähig – so funktioniert Lifestyle-Marketing.

Ginheimnis 4: Die Gewürze im Gin sind eine Notlösung

Heute schwärmen die Gin-Liebhaber ja von der Vielfalt der Frucht- und Gewürz-Aromen verschiedener Gin-Sorten. Dabei hat man all die Botanicals früher in die Brennblase geworfen, um einen Geschmacksmangel zu überdecken. Die damalige Qualität der Destillation war mit heutigen Standards nicht zu vergleichen. Der Alkohol entfaltete in der Regel nicht den reinen Geschmack. Mit der reichlichen Zugabe von Kräutern konnte man dieses Defizit kaschieren.

Ginheimnis 5: Gin Tonic ist eigentlich Medizin

Man muss sich schon fragen, warum Gin-Freunde einerseits die Einzigartigkeit bestimmter Sorten preisen, dann aber einen Tonic draufgießen, der die Aromen oft überdeckt. Seinen Anfang nahm der kultige Gin Tonic als Medizin. Die Malaria war im 18. Jahrhundert eine Gefahr für die Ausbreitung des Empire. Das damals einzige bekannte Gegenmittel war das aus der Rinde des Chinarindenbaums gewonnene Chinin. Das Empire versorgte die Kolonial-Soldaten und Schiffsbesatzungen mit stark chininhaltigem Tonic-Water. Ohne Zugabe von Gin mochten die Soldaten die bittere Medizin aber nicht runterwürgen. Als Kult-Longdrink Gin Tonic fand der ursprüngliche Holländer dann als Wahl-Brite den Weg zurück auf den Kontinent. Oder besser: In die Bars aller Kontinente.

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Bild: Steven Guzzardi unter cc-Lizenz