Das Marketing ist bei vielen Produkten entscheidend für den Erfolg innerhalb der definierten Zielgruppe. Wo manche Erfindungen, Dienstleistungen und Artikel sogenannte Selbstläufer sind, brauchen viele Produkte eine Initialzündung und anschließend eine nachhaltige Marketingkampagne. Online sieht dieser Sachverhalt noch einmal ganz anders aus, denn hier sind die Spielregeln zwar ähnlich, doch die Gründe für bestimmte Prozesse oftmals konträr zum Offline-Marketing.

Ein sehr gutes Beispiel für die Power einer durchdachten Strategie möchte ich nun in diesem Artikel erörtern. Es geht um LIDL und warum der Discounter in seinem Online Shop einen Schwarzwald Dry Gin für 7,49 Euro anbietet.

Wie aus professioneller PR Arbeit ein Schwarzwald Gin wurde

Gin ist ein Genussmittel. Es geht den Fans um Botanicals, Lagerung, Rezeptur und natürlich die abschließende Präsentation samt Tasting. In den letzten Jahren ist Gin immer beliebter geworden. Die Tastings sind gut besucht und dementsprechend hat sich eine große Nachfrage nach exklusiven Sorten mit ausgefallen Aromakombinationen entwickelt. Gerade online lässt sich dies über die Suchvolumina der einzelnen Marken und Sorten relativ genau abbilden.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Discounter sich einen Stück dieses Kuchens einverleiben wollen. Da es in diesem Artikel um LIDL geht, wollen wir uns natürlich auch einen LIDL Gin genauer ansehen.

Der LIDL Schwarzwald Dry Gin und warum er Jörg Meyer sauer aufstößt

Joerg Meyer auf Facebook

Joerg Meyer äußert sich sehr ausführlich auf Facebook zum neuen Schwarzwald Gin von Lidl.

Jörg Meyer, seinerseits Barbesitzer im gehobenen Segment sieht den LIDL Gin kritisch und hat dies auch öffentlich auf seiner Facebook Seite, sowie seinem Instagram Account mitgeteilt. Er kennt den Gin Markt sehr gut und weiß, worauf es den Kunden, aber auch den Herstellern und Lieferanten ankommt. Ankommen sollte, könnte man bei LIDL wohl eher sagen, denn der Discounter-Riese geht mit einer nicht verkennbaren Aggressivität vor, die dem einen oder anderen Gin-Hersteller kalte Schauer über den Rücken laufen lässt.

Ein von ihm erstelltes Bild zeigt die Gin-Variante der aktuellen „Du hast die Wahl“ Kampagne von LIDL. Gleichzeitig zeigt es aber auch den bekannten Monkey 47 Schwarzwald Dry Gin und stellt wie bei allen anderen Versionen der Kampagne ein teures Markenprodukt neben ein günstiges Eigenprodukt.

Er ist seinen Kunden zu absoluter Qualität verpflichtet und kann einem Discounter Gin keinen Platz in seiner Auswahl einräumen. Eine Marke ist seiner Meinung nach abgewertet, wenn sie von einem Discounter verkauft wird. Für ihn ist alles ein zweischneidiges Schwert, denn er sieht die Schuld nicht nur bei LIDL, sondern teilweise auch bei den Herstellern. Wer große Mengen in den unkontrollierten Markt gibt, braucht sich scheinbar nicht zu wundern, dass die Discounter sich eben auch große Mengen einkaufen und entsprechend bewerben. LIDL weiß natürlich auch ganz genau, dass vielen großen Marken Millionen Euro Umsätze verloren gehen würden, wenn der große Discounter plötzlich keine Waren mehr abnehmen würde.

Auch wenn es verwirrend ist, aber das passiert durch eine „Du hast die Wahl Kampagne“:

  • LIDL stärkt die eigene Marke, weil die Produkte teilweise 50, manchmal aber auch 100 Prozent günstiger als die Markenware sind
  • LIDL schwächt die gehobene Marke (in diesem Fall Monkey 47), weil sie mit einem Discounter in Zusammenhang gebracht wird

Wo kommen die positiven Bewertungen des LIDL Schwarzwald Dry Gin her?

Wie Jörg Meyer in seinem Facebook Post erklärt, gibt es trotz des Aufschreis in der Branche zahlreiche positive Bewertungen zum Billig-Gin, aber auch einige mit mäßiger Begeisterung. In Reviews werden Qualität und Aromen, Geschmack und Preis-Leistung hervorgehoben. Doch wie kommen diese Reviews innerhalb so kurzer Zeit zustande?

Christoph von Gintlemen.com hat in seinem LIDL Schwarzwald Dry Gin Testbericht deutlich erklärt, warum der LIDL Gin in seinen Augen keinen Sinn für den echten Genießer macht. Der Alkohol ist zu präsent und lässt den Aromen keinen Platz. Doch darauf soll dieser Artikel gar nicht näher eingehen. Es geht vielmehr um eine Anfrage seitens LIDL, die Christoph per E-Mail bekommen hat.

In einer E-Mail bittet der Discounter um ein Review zum neuen LIDL Schwarzwald Dry Gin. Wie nebenbei bietet man auch eine Vergütung für einen Testbericht an. Scheinbar wurden mehrere Gin-Vergleichs- und Reviewseiten angeschrieben und sicherlich sind einige Blogger mit der Aussicht auf eine Vergütung schwach geworden. Christoph hat seine ehrliche Meinung veröffentlicht und auf eine Vergütung verzichtet. Ein Beispiel, wie ein durchaus positiver Artikel aussehen kann, zeigen die Kollegen von alkoblog.de mit ihrer Aussage:

„Er wirkt vielmehr bewusst ausgewogen. Insbesondere der sonst bei vielen Gins so markante Wacholder hält sich angenehm zurück“

Natürlich ist Geschmack immer relativ und ich möchte dadrüber auch nicht werten, es ist nur in diesem beschrieben Kontext sehr…. sagen wir komisch.

Warum die LIDL Strategie aus Online Marketing Sicht Sinn macht

Es gibt Ginsorten, die bei den Fans mehr als beliebt sind. Jedes Aroma wird zelebriert und über die verschiedenen Botanicals entstehen intensive Diskussionen. Ein echter Gin Fan weiß also, woher sein Gin kommt. Er kennt vielleicht sogar die Art der Herstellung, Zwischenschritte und Rohstofflieferanten. Kurzum gehören diese Dinge zu seinem Gin-Erlebnis dazu. Überhaupt hat die regionale Verliebtheit einen großen Stellenwert unter den Gin Tastern.

Genau das hat LIDL sich zum Vorteil gemacht. Beim Onlineverkauf von Produkten geht es hauptsächlich um Suchvolumen. Was nützt das beste Produkt, wenn niemand danach sucht und somit auch niemand bestellt? Als LIDL überlegt hat, welchen Gin man am besten in die Kampagne mit einbezieht, war das Keywordset um den Schwarzwald Gin mit Sicherheit ein ausschlaggebender Punkt. Das Suchvolumen zu einem Gin in Kombination mit seiner Herkunft ist bei keiner Sorte so hoch, wie bei „Schwarzwald Gin“.

LIDL hat also die Linkkraft und den Trust der eigenen Webseite genutzt, um mit einem Discounter Gin mit der Bezeichnung „Schwarzwald Gin“ (immerhin 480 mal gesucht bei Google, im Monat) die Suchanfragen der Monkey 47 Schwarzwald Dry Gin Fans abzugreifen und in den eigenen Shop zu leiten. Das ganze Marketing für dieses LIDL Produkt ist auf den Aspekt der Herkunft ausgerichtet. Es gibt also eine Überschneidung in der Semantik der beiden Brands.

Monatliche Suchanfragen zum Thema Schwarzwald Gin

Monatliche Suchanfragen zum Thema Schwarzwald Gin sowie ähnliche Keywords.

Wichtige Keywords sind Beispielsweise:

  • Monkey 47 Schwarzwald
  • Schwarzwälder Gin
  • Black Forest Dry Gin – 210 Suchanfragen im Monat
  • Monkey 47 Schwarzwald Gin
  • Schwarzwald Dry Gin Monkey
  • Schwarzwald Gin Monkey
  • Deutscher Gin Schwarzwald
  • Schwarzwald Dry Gin – 90 Suchanfragen im Monat
  • Gin Schwarzwald – 480 Suchanfragen im Monat
  • Gin Schwarzwald Affe

Mit dem Bewusstsein, dass es bereits ein hohes Suchvolumen für die Keywords rund um den Schwarzwald Gin gibt, konnte das Team von LIDL den Gin mit großem Erfolg online vermarkten. Die eingefleischten Gin Taster sind von dieser Vorgehensweise natürlich wenig begeistert, schließlich könnten dadurch in Zukunft noch weitere beliebte Gin-Marken abgewertet werden.

Wieso macht die Lokalisation eines Brands das ganze Produkt angreifbar?

Für viele Gin Hersteller ist es eines der wichtigsten USPs, wenn das eigene Produkt mit einer regionalen Herkunft in Verbindung gebracht wird. Lokale Produkte stehen für Qualität, für ausgewählte Zutaten und natürlich auch für Exklusivität.

Das Problem entsteht dann, wenn die Kunden und Interessenten nicht mehr nach dem eigentlichen Namen des Gin suchen, sondern die Region selbst als Qualitätsmerkmal einordnen. Wenn nicht mehr der Monkey 47 Schwarzwald Gin Dry gesucht wird, sondern nur noch der Schwarzwald Gin, wird das Produkt angreifbar. Die Suche verlagert sich vom Brand zu einem Qualitätsmerkmal, also einem USP.

Wettbewerber brauchen nun einfach nur einen Gin mit dem Merkmal Schwarzwald auf den Markt zu bringen und spielen sofort in dieser Liga mit, obwohl das Produkt eventuell gar nicht den Anforderungen der Kunden entspricht.

Qualitäts-Gin aus Musterstadt gefällig?

Auf der Ginspiration.de gibt es bereits einen interessanten Artikel zu einem Gin aus Musterstadt.
Natürlich existiert dieser Gin nicht wirklich. Vielmehr soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass immer mehr Gin Taster ihren Gin nach der Region der Herstellung aussuchen. Zum einen muss ein Hamburg Gin beispielsweise nicht zwingend aus Hamburg kommen und zum anderen stellt diese Entwicklung aus oben genannten Gründen eine große Gefahr dar.

Des einen Leid ist des anderen Freud

An diesem Beispiel sieht man deutlich, wie schnell ein Unternehmen wie LIDL sich einen Gin ins Sortiment holt, der allein durch die ähnliche Bezeichnung einen guten Anteil der Monkey 47 Schwarzwald Gin Dry Interessenten in den LIDL Shop ziehen dürfte. Man erkennt auch, dass gerade für Hersteller von hochwertigen Spirituosen eine große Gefahr in der Zusammenarbeit mit Discountern besteht. Weniger ist manchmal dann eben doch mehr.